Zähneputzen im Kindergarten – Nein danke?

In vielen Kindergärten gehörte das gemeinsame Zähneputzen lange Zeit zum Alltag. Doch mittlerweile entscheiden sich immer mehr Einrichtungen bewusst dagegen. Für Außenstehende mag das unverständlich erscheinen, doch gibt es gute Gründe, die gegen das tägliche Zähneputzen im Kindergarten sprechen. In diesem Beitrag möchte ich Verständnis für diese Entscheidung schaffen und gleichzeitig Alternativen vorstellen, wie das Thema Zahngesundheit dennoch ein integraler Bestandteil des pädagogischen Konzepts bleiben kann.
1 .Warum das tägliche Zähneputzen im Kindergarten zur Herausforderung wird
1.1 Hygienische Voraussetzungen
Allein der Gedanke daran, dass Kinder mit ihren Zahnbürsten im Abfluss des Waschbeckens stochern, die Armaturen bürsten oder sogar die Zahnbürsten untereinander tauschen, weckt nachvollziehbare Bedenken. Zahnbürsten, die mit Zahnpasta verklebt sind und im Becher kopfüber stehen, stellen ebenfalls ein Hygieneproblem dar – und diese Szenarien sind keineswegs Fantasie.
Um diesen hygienischen Herausforderungen zu begegnen, gibt es klare Empfehlungen für das Zähneputzen in Gemeinschaftseinrichtungen:
- Jedes Kind nutzt eine eigene, gekennzeichnete Zahnbürste.
- Die Bürsten werden nach jedem Gebrauch gründlich unter fließendem Wasser ausgespült und ggf. am Waschbeckenrand ausgeklopft.
- Zahnbürsten werden mit dem Bürstenkopf nach oben aufbewahrt, ohne dass sich die Bürstenköpfe berühren.
- Spätestens alle drei Monate sind die Zahnbürsten zu ersetzen.
- Regelmäßige Reinigung der Zahnbürsten in der Spülmaschine (wöchentlich bis täglich) bei Bedarf.
Obwohl diese Richtlinien klar sind, ist es oft schwierig, sie im hektischen Alltag einer Kita konsequent einzuhalten. Zahnbürsten, die nicht gründlich von Zahnpasta- und Speiseresten gereinigt sind, trocknen nicht vollständig und mutieren so zu Keimherden („So viel Keime finden sich auf Zahnbürsten.“). Um die Hygiene aufrechtzuerhalten, muss man Zeit und Ressourcen investieren, die jedoch nicht immer ausreichend vorhanden sind.
Was das RKI aktuell zum Umgang mit Zahnbürsten in Gemeinschaftseinrichtungen sagt, finden Sie am Ende des Beitrages.
1.2 Organisatorische Anforderungen für das Zähneputzen im Kindergarten
Das Zähneputzen im Kindergarten erfordert zudem einen erheblichen organisatorischen Aufwand. Kinder müssen vorbereitet, Zahnbürsten verteilt, Zahnpasta altersgerecht dosiert und das Zähneputzen selbst begleitet werden. Besonders wichtig ist es, die gründliche Reinigung und richtige Aufbewahrung der Zahnpflegeutensilien zu beaufsichtigen oder zumindest abschließend zu kontrollieren. Was die Kinder versäumen, muss vom Kita-Personal nachgeholt werden. Außerdem sollten die Waschbecken und deren Umgebung bei starker Verschmutzung sofort gereinigt werden.
All dies erfordert personellen Einsatz. Wenn das Personal jedoch knapp bemessen ist, kann eine lückenlose Betreuung während des Zähneputzens nicht gewährleistet werden. Dies beeinträchtigt sowohl die Hygiene als auch das Erlernen der richtigen Putztechnik.
2. Die Entscheidung gegen das Zähneputzen im Kindergarten – Ein Schritt in die richtige Richtung?
Die Entscheidung, das tägliche Zähneputzen im Kindergarten nicht mehr durchzuführen, ist keineswegs ein Zeichen mangelnder Verantwortung. Im Gegenteil: Sie zeigt, dass Erzieherinnen und Erzieher die tatsächlichen Bedingungen in ihrer Einrichtung realistisch einschätzen und eine durchdachte Entscheidung zum Wohle der Kinder treffen. Wenn die hygienischen und organisatorischen Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, ist es verantwortungsvoller, auf das gemeinsame Zähneputzen zu verzichten.
3. Zahngesundheit als Bestandteil des pädagogischen Konzepts – Alternativen
Auch ohne das tägliche Zähneputzen lässt sich das Thema Zahngesundheit spielerisch und lehrreich in den Kita-Alltag integrieren. Hier einige sinnvolle Alternativen:
3.1 Regelmäßige Aufklärung über Zahngesundheit
Statt des Zähneputzens können Kinder durch altersgerechte Aufklärung lernen, wie wichtig Zahnhygiene ist und wie man seine Zähne richtig pflegt. Bücher, Videos oder auch Puppen bieten sich an, um das Thema auf kindgerechte Weise zu vermitteln.
Hier ist eine sehr sympathische Idee für Kitas in Westfalen-Lippe.
3.2 Besuche von Zahnpflegeexperten
Eine hervorragende Alternative sind Besuche von Zahnpflegeexperten im Kindergarten. Zahnärzte oder Prophylaxe-Fachkräfte können kindgerecht erklären, wie man richtig Zähne putzt und warum Zahngesundheit so wichtig ist.
Regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen durch das Gesundheitsamt bieten ebenfalls eine Chance, das Thema zu vertiefen.
Die regionalen Arbeitskreise Zahngesundheit unterstützen Kindergärten dabei und vermitteln sogenannte Betreuungszahnärzte. Wie man „seinen“ Arbeitskreis findet, habe ich im Beitrag „Kostenloses Material für die Zahngesundheit im Kindergarten“ beschrieben.
3.3 Zahnpflegeprojekte und -spiele
Zahngesundheit lässt sich auch in Form von Lerneinheiten und Spielen vermitteln. Bastelprojekte, bei denen die Kinder Zahnmodelle anfertigen, oder Spiele, in denen „böse Bakterien“ von einem Zahnmodell entfernen werden, sind sowohl spaßig als auch lehrreich. Temporäre Zahnputz-Projekte, die halb- oder vierteljährlich zum Beispiel eine Woche lang durchgeführt werden, bieten eine weitere interessante Möglichkeit.
3.4 Zusammenarbeit mit den Eltern
Die Zahnpflege der Kinder liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Eltern und Erziehungsberechtigten. Sie sorgen dafür, dass die Kinder morgens und abends ihre Zähne putzen. Außerdem putzen die Erwachsenen zusätzlich die Kinderzähne von allen Seiten nach, bis das Kind flüssig Schreibschrift schreiben kann. Da wo das Zähneputzen im Kindergarten stattfindet, ist es als ERGÄNZUNG zu sehen und ersetzt keinesfalls das Putzen zuhause.
Es ist entscheidend, dass die Eltern umfassend über die Bedeutung und Notwendigkeit der häuslichen Zahnpflege informiert werden. Checklisten, Merkblätter und Broschüren helfen dabei, nützliche Tipps und Empfehlungen weiterzugeben. Zudem unterstützt ein regelmäßiger Austausch, etwa durch Elternabende, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen.
3.5 Gesunde Ernährung im Fokus
Da Zahngesundheit stark mit der Ernährung verknüpft ist, kann der Kindergarten durch ein ausgewogenes und gesundes Essensangebot einen wesentlichen Beitrag leisten. Klare Regeln zum Umgang mit Zucker und Süßigkeiten, das Anbieten von gesunden Snacks sowie Wasser und ungesüßtem Tee als Durstlöscher unterstützen die Zahngesundheit.
Aktionen zur Förderung gesunder Ernährungsgewohnheiten für die Kinder und Gespräche mit den Eltern, tragen ebenfalls dazu bei, das Bewusstsein zu stärken. Externe Fachkräfte können hier zusätzliche Informationen und wertvolle Anregungen für die Eltern und Kinder bereitstellen.
4. Zahngesundheit bleibt wichtig – auch ohne tägliches Zähneputzen im Kindergarten
Die Entscheidung, auf das tägliche Zähneputzen im Kindergarten zu verzichten, kann oft die richtige Wahl sein. Sie zeugt von einem verantwortungsvollen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und den Gegebenheiten vor Ort. Trotzdem bleibt Zahngesundheit ein wichtiges Thema, das nicht vernachlässigt werden sollte.
Durch gezielte Aufklärung, kreative Projekte, die Zusammenarbeit mit Eltern und eine gesunde Ernährung kann Zahngesundheit weiterhin integraler Bestandteil des pädagogischen Konzepts sein – ohne dass die Hygiene oder die Betreuung darunter leidet.
Und für Kitas, die das tägliche Zähneputzen wieder einführen möchten, bietet der Arbeitskreis Zahngesundheit umfangreiches Material, fachkundige Anleitung und Unterstützung.
Zusatzinformation zur Zahnbürstenhygiene in Kitas
In der Vergangenheit hatte das Robert-Koch-Institut (2012) Empfehlungen zum Umgang mit Zahnbürsten in Gemeinschaftseinrichtungen herausgegeben.
Da das Info-Blatt bereits älter ist und ich keine aktuellen Empfehlungen finden konnte, habe ich beim RKI nachgefragt:
Nicht sehr hilfreich! Wer es aber ganz genau wissen und handhaben will, dem empfehle ich die Website hygiene-tipps-fuer-kids.de. Hier sind u. a. wichtige Hygienemaßnahmen für sicheres Zähneputzen in Form einer Checkliste beschrieben.