Schnuller ab wann? Warum diese Frage die falsche ist

Das Baby ist unruhig, die kleinen Fäustchen ballen sich, der Protest wird lauter – da ist er schnell zur Hand: der Schnuller. Einmal reingesteckt, kehrt augenblicklich Ruhe ein. Fast wie Zauberei, oder? Kein Wunder, dass viele Eltern gar nicht genug davon zuhause haben. Doch genau hier lohnt sich ein zweiter Blick. Denn die eigentliche Frage sollte nicht lauten: „Schnuller ab wann?“, sondern vielmehr: „Schnuller – wenn überhaupt – bis wann?“

Schnuller: Beruhigung oder Bremse der natürlichen Entwicklung?

Babys kommen mit einem angeborenen Saugreflex auf die Welt. Das ist überlebenswichtig – schließlich funktioniert so die Nahrungsaufnahme. Aber dieser Reflex ist kein Freifahrtschein für einen Dauerplatzhalter im Mund. Tatsächlich ist der Schnuller ein künstliches Beruhigungsmittel, das weitreichende Folgen für die körperliche und geistige Entwicklung haben kann, wenn es zu lange oder zu häufig zum Einsatz kommt.

Die unterschätzten Folgen von Dauernuckeln

1. Sprachentwicklung in der Warteschleife:

Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen wichtigen Vortrag halten – aber haben permanent einen Tennisball im Mund. So ähnlich geht es Kindern mit einem ständigen Schnuller. Die Zunge bleibt unten, statt munter durch den Mundraum zu tanzen. Lippen und Zunge verlieren an Beweglichkeit, und die feine Motorik für Laute wie „S“ oder „Z“ kann sich nur eingeschränkt entwickeln. Das Ergebnis? Lispeln, Sprachstörungen und eine verzögerte Sprachentwicklung.

2. Kiefer in Schieflage – wenn der Schnuller das Gesicht formt:

Der kindliche Schädel und somit auch der Kiefer sind formbar wie weicher Ton. Wird er permanent durch den Druck des Schnullers verformt, entstehen Fehlstellungen – der berüchtigte „lutschoffene Biss“, bei dem die Schneidezähne nicht mehr aufeinandertreffen. Das hat nicht nur ästhetische, sondern auch funktionale Folgen: Das Abbeißen eines knackigen Apfels wird zur Herausforderung, das Kauen bleibt ineffizient, und in späteren Jahren wartet nicht selten die kieferorthopädische Behandlung.

3. Die kleine Ursache mit großer Wirkung: Offene Mundhaltung und Mundatmung

Ein Dauerschnuller führt häufig zu einer offenen Mundhaltung. Der Mund bleibt schlaff geöffnet, statt geschlossen zu sein. Das Ergebnis: Die Nasenatmung wird zur Mundatmung – und damit beginnen die Probleme. Der Speichel, eigentlich der beste Schutz gegen Karies und Bakterien, kann seine Aufgabe nicht mehr erfüllen. Die Schleimhäute trocknen aus, das Risiko für Karies, Infekte und sogar Mittelohrentzündungen steigt.

4. Die soziale Komponente – wenn Lispeln zum Hemmschuh wird

Kinder, die durch den Schnuller sprachliche Hürden entwickeln, trauen sich oft weniger zu sagen, was sie denken. Das kann die soziale Integration erschweren. Ein einfaches Stück Plastik kann so unfreiwillig zum Stolperstein auf dem Weg zu einem selbstbewussten Miteinander werden.

Schnuller ab wann? Oder lieber gar nicht erst?

Die klare Antwort aus medizinischer und entwicklungspsychologischer Sicht:
Am besten gar nicht.

So setzt beispielsweise das Universitätsklinikum Ulm in seiner Geburtshilfeabteilung bewusst keine Schnuller ein. Stattdessen werden Eltern über alternative Beruhigungsmethoden informiert. Die Klinik betont, dass der Schnuller frühestens ab der 6. bis 8. Lebenswoche und maximal bis zum 12. Lebensmonat verwendet werden sollte. Darüber hinaus überwiegen die Nachteile deutlich, und der Schnuller sollte nur in Ausnahmefällen wie zum Schlafen, bei Schmerzen oder zur Beruhigung in Kombination mit Körperkontakt eingesetzt werden.

Natürlich ist das alles leichter gesagt als getan. Aber mit ein bisschen Kreativität und Geduld lassen sich die meisten Situationen auch ohne diesen kleinen „Plastikretter“ meistern.

Die besten Alternativen – Trost ganz ohne Nuckel

  • Babys lieben Gesichter!
    Ein Kuckuck-Spiel, eine alberne Grimasse – und schon ist das Interesse geweckt. Das stärkt nicht nur die Bindung, sondern trainiert auch die Gesichtsmuskeln und die emotionale Regulation.
  • Kuscheln statt Kauen:
    Der direkte Hautkontakt beruhigt kleine Gemüter oft schneller als jeder Schnuller. Sanfte Streicheleinheiten, eine ruhige Stimme oder ein warmes Bad können Wunder wirken.
  • Der kleine Finger als Helfer:
    Wenn das Saugbedürfnis wirklich stark ist, tut es auch mal der (saubere!) kleine Finger von Mama oder Papa. Wichtig: Immer die Kuppe nach oben halten.
  • Frische Luft wirkt Wunder:
    Ein kurzer Spaziergang oder das Wiegen in der Trage lenkt nicht nur ab, sondern gibt auch ein Gefühl von Geborgenheit.
  • Übergangsobjekte schaffen:
    Schnuffeltücher, Kuscheltiere oder eine weiche Decke können den Schnuller ersetzen. Sie vermitteln Vertrautheit und Trost – ganz ohne negative Nebenwirkungen.

Und wenn der Schnuller schon im Spiel ist?

Dann gilt: So wenig wie möglich, so gezielt wie nötig. Der Schnuller sollte nie ständiger Begleiter sein, sondern ein Notfallhelfer für echte Krisensituationen – nicht für jede kleine Unzufriedenheit. Besonders beim Spielen, Brabbeln oder ersten Wortversuchen hat der Nuckel Pause.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt übrigens auch, Babys ab dem 7. Monat langsam vom Schnuller zu entwöhnen. Warum? Weil in diesem Alter der Saugreflex nachlässt und das Kind in die „Beiß-, Kau-, Greif- und Begreifphase“ eintritt – eine Zeit, in der der Mund endlich seine eigentliche Bestimmung entdecken sollte.

So gelingt die Entwöhnung – liebevoll, aber konsequent

  • Schrittweise reduzieren:
    Zuerst gibt es den Schnuller nur noch zum Einschlafen, dann gar nicht mehr. Tagsüber sollten spannende Beschäftigungen und viel Nähe den Nuckel ersetzen.
  • Abschiedsrituale einführen:
    Ob Schnullerfee, ein Abschiedsfest oder der Besuch eines Schnullerbaums – Rituale helfen, den Abschied als positiven Meilenstein zu erleben.
  • Ersatzrituale fürs Einschlafen:
    Eine schöne Gute-Nacht-Geschichte, leises Summen oder ein neues Lieblingskuscheltier können helfen, den Übergang sanft zu gestalten.
  • Den richtigen Zeitpunkt wählen:
    Ideal ist eine Phase, in der keine größeren Veränderungen (z.B. Kita-Start oder Umzug) anstehen. So kann sich das Kind voll auf den Abschied konzentrieren.
  • Geduld haben und dranbleiben:
    Rückschläge sind normal. Bleiben Sie liebevoll, aber konsequent – jedes „Nein“ bringt Sie einen Schritt näher ans Ziel.

Fazit: Ein freier Mund ist ein freier Geist

Also, zurück zur Ausgangsfrage: „Schnuller ab wann?“ Die bessere Frage ist: „Schnuller bis wann – oder besser gar nicht?“

Denn ein Kind, das seine Gefühle durch Nähe, Sprache und kreative Beschäftigung ausdrücken darf, braucht keinen ständigen Trostspender aus Plastik. Es lernt von Anfang an, die Welt mit offenem Mund zu entdecken – aber nicht, weil dieser mit einem Schnuller blockiert ist, sondern weil es laut lacht, fröhlich brabbelt und neugierig seine Umwelt erkundet.

Die besten Startbedingungen für ein gesundes Gebiss, eine klare Aussprache – und ein selbstbewusstes kleines Menschlein, das sich traut, seine Stimme zu erheben.

Häufige Fragen zum Thema „Schnuller ab wann“

Am besten gar nicht! Der natürliche Saugreflex kann auch durch Nähe, Stillen und kreative Beruhigung gestillt werden. Wird ein Schnuller doch genutzt, sollte er nur kurzfristig und gezielt eingesetzt werden.

Ab dem 7. Lebensmonat wird der Saugreflex schwächer, die Beiß- und Kauphase beginnt. Jetzt ist der Schnuller nicht mehr nötig und kann die Entwicklung von Kiefer und Sprache stören.

Setze auf liebevolle Rituale wie die Schnullerfee oder einen Schnullerbaum. Reduziere den Gebrauch schrittweise und biete Alternativen wie Kuscheltiere oder spannende Einschlafgeschichten.

Ja! Körperkontakt, Beruhigung durch Singen, sanfte Streicheleinheiten, frische Luft oder einfach die Nähe zu Mama und Papa helfen oft viel besser.

Sprachstörungen, Zahnfehlstellungen, eine offene Mundhaltung und sogar soziale Hemmungen können die Folge sein. Je früher der Abschied gelingt, desto besser!

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